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Die Kiez-Trilogie
736 Seiten | Paperback
ISBN 978-3-86532-259-3 | 16,95 EUR
Pendragon Verlag 2011
Lesebefehl: Frank Göhres „Die Kiez-Trilogie“ ist wieder erhältlich.
„Die Kiez-Trilogie“. Das klingt verdammt nach Regiokrimi.
Aber das ging damals, als Frank Göhre im Frühjahr 1984 mit Richard K.
Flesch, dem legendären Herausgeber der rororo-Thriller-Reihe, über seine
neue Romanidee sprach, gar nicht. Damals meinte Flesch auf einen
Romanvorschlag von Göhre: „Soweit kommt’s noch, dass Rowohlt kriminelle
Heimatschmonzetten veröffentlicht.“
Tja, das war damals, als der Soziokrimi noch lebendig war. Heute
veröffentlicht Rowohlt auch Regiokrimis. Damals änderte Göhre sein Konzept.
Von der Lüneburger Heide ging’s nach Hamburg. Regisseur Carl Schenkel, mit
dem Göhre damals an dem Fahrstuhlthriller „Abwärts“ arbeitete, gab ihm einen
„Spiegel“-Artikel über die unglückliche Liebe eines Rentners zu einer
Peep-Show-Tänzerin (Hm, klingt irgendwie nach „Professor Unrat“). Göhre
begann sich auf der Reeperbahn umzusehen und im Juli 1986 erschien „Der
Schrei des Schmetterlings“. Mit „Der Tod des Samurai“ und „Der Tanz des
Skorpions“ erzählte er 1989 und 1991 die Geschichte der Polizisten und
Verbrecher auf St. Pauli fort. Mit „St. Pauli Nacht“ gab es 1993 einen
kleinen Nachschlag und 2006 mit „Zappas letzter Hit“ den vierten
St.-Pauli-Roman.
In „Die Kiez-Trilogie“ sind jetzt die ersten drei, eng miteinander
verknüpften Romane erschienen und sie sind wahrlich keine Heimatschmonzetten
oder Regiokrimis. Sie sind intime Milieustudien von der Hamburger Reeperbahn
und der hamburger Melange von Polizei, Verbrechern und Politik. Dabei mischt
Göhre Fakten mit Fiktion zu einem Gebräu, in dem immer unklarer wird, wer
die Guten und wer die Bösen sind – und mit dem Überführen und Bestrafen der
Verbrecher am Ende des Romans funktioniert es auch nicht so gut.
Ich war damals, als die jetzt in der „Kiez-Trilogie“ versammelten Romane vor
über zwanzig Jahren erschienen, mächtig begeistert. Das war wirklich mehr
Raymond Chandler, Dashiell Hammett, James M. Cain, Jim Thompson, Mickey
Spillane und Ross Thomas (um nur einige zu nennen), als der biedere
bundesdeutsche Krimi zwischen -ky, Hansjörg Martin, Christine Grän und Felix
Huby (obwohl mir die ersten Bienzles gut gefielen).
Jetzt sind die drei St.-Pauli-Romane bei Pendragon wieder veröffentlicht
worden. Frank Göhre schrieb das gut dreißigseitige Nachwort „Hamburger
Verhältnisse – Hintergründe und Materialien zur Kiez-Trilogie“, in dem er
anhand zahlreicher Zitate aus alten Zeitungen zeigt, wie sehr er sich bei
seinen Romanen von der Wirklichkeit inspirieren ließ. Außerdem kannte er
auch etliche Szenegrößen und recherchierte viel auf St. Pauli, das mit dem
heutigen St. Pauli nichts mehr zu tun hat.
Insofern ist „Die Kiez-Trilogie“ auch ein Teil der alternativen deutschen
Geschichtsschreibung und die Antithese zum Regiokrimi.
KRIMINALAKTE